Der EZB-Rat hat am 5. Juni 2014 eine Reihe geldpolitischer Maßnahmen beschlossen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen kann aus unserer Sicht bezweifelt werden, gleichzeitig erhöhen sich die Risiken für die Finanzstabilität erheblich. Zum einen hat die EZB den Leitzins auf 0,15 Prozent gesenkt. Dies dürfte weder nennenswerte Effekte auf die Konjunktur noch auf die Preisdynamik im Euroraum haben. Zum einen ist der Zinsschritt von 0,25 auf 0,15 Prozent mit 10 Basispunkten sehr klein, zum anderen dürfte der geldpolitische Transmissionsmechanismus nicht gestört sein, weil das bisherige Zinsniveau zu hoch wäre - im Gegenteil: Es war auch schon bislang über einen langen Zeitraum extrem niedrig.
Während sich viele Länder im Euroraum in einer Rezession befinden, zeigt sich die deutsche Konjunktur trotz der schwachen Auslandsnachfrage seitens der europäischen Nachbarn und der immer wieder aufkommenden Unsicherheit im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise vergleichsweise robust. Da sich die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihren geldpolitischen Entscheidungen an der durchschnittlichen Entwicklung im Euroraum orientiert, sieht sich Deutschland vor diesem Hintergrund einer besonderen geldpolitischen Situation gegenüber. So ist die geldpolitische Ausrichtung der EZB - gemessen an der Kapazitätsauslastung und der Inflation in Deutschland - bereits seit einigen Jahren zu expansiv ausgerichtet. Die maßgeblichen Leitzinsen liegen nach wie vor deutlich unter dem (normativen) Taylor-Zins, zuletzt in einer Größenordnung von reichlich 2 Prozentpunkten.
Der kräftige Preisanstieg für Rohöl im Zuge der politischen Ereignisse im arabischen Raum wirft die Frage auf, inwieweit die deutsche Konjunktur davon betroffen ist. Zuletzt erreichte der Preis für Rohöl der Sorte Brent 115 US-Dollar pro Fass. Es deutet vieles darauf hin, dass ein persistenter Ölpreisanstieg langfristig zu einer Dämpfung des Wachstums führt und mit Preiserhöhungen einhergeht (vgl. Sachverständigenrat 2006). So haben Simulationen mit einem makroökonometrischen Modell gezeigt, dass ein langfristiger 10-prozentiger Ölpreisanstieg das Produktionspotential in Deutschland um 0,15 Prozentpunkte senkt. Wichtig ist aber auch das Ausmaß der konjunkturellen Wirkungen.
Starke Verwerfungen an den Finanzmärkten strahlen typischerweise negativ auf die realwirtschaftliche Aktivität aus. So entwickelte sich nach dem Kollaps von Lehman Brothers eine Systemkrise im Bankensystem, die nur unter Einsatz umfassender wirtschaftspolitischer Interventionen unter Kontrolle gebracht werden konnte. Seit diesen einschneidenden Ereignissen hat die Untersuchung von Finanzmarktindikatoren merklich an Bedeutung gewonnen und ist auch für die Analyse der realwirtschaftlichen Entwicklung immer weiter in den Vordergrund gerückt. Vor diesem Hintergrund berechnen wir seit einiger Zeit einen Finanzmarktstressindikator für Deutschland und den Euroraum, der eine Reihe von Finanzmarktindikatoren in einem Maß zusammenfasst. Der ursprüngliche Indikator enthielt acht Finanzmarktvariablen und wurde anhand eines Faktormodells mittels der Hauptkomponentenanalyse ab 1999 errechnet. In diesem Kasten wird ein aktualisierter Finanzmarktstressindikator (FMSI) vorgestellt, der eine erhöhte Anzahl von Variablen beinhaltet, einen längeren Zeithorizont umfasst (ab 1980) sowie mit einer verbesserten Methode geschätzt wird. Zudem wird anhand dieses Indikators der Einfluss von Finanzmarktstress auf die deutsche Konjunktur untersucht.
Die Geldpolitik des Eurosystems operiert seit über vier Jahren im Krisenmodus. Kennzeichnend hierfür sind eine massive quantitative und qualitative Lockerung beim geldpolitischen Instrumenteneinsatz. Dieser Kurs zielt vor allem auf eine Stabilisierung einzelner nationaler Bankensysteme ab. Als gravierendste Nebenwirkung kommt es zu einer erheblichen und bislang nicht gestoppten Zahlungsbilanzfinanzierung durch das Eurosystem, die sich symptomatisch und zu großen Teilen an der Entwicklung der Target2-Salden ablesen lässt. Ursächlich hierfür ist eine asymmetrische Bereitstellung von Zentralbankgeld in einem national segmentierten Geschäftsbankenmarkt. Der Beitrag erklärt die zugrunde liegenden Finanzierungsmechanismen, diagnostiziert die sich daraus ergebenden Fehlentwicklungen und zeigt Therapiemöglichkeiten auf. Hierzu zählen eine vertiefte monetäre Integration zur Umsetzung einer einheitlichen Geldpolitik sowie eine Finanzmarktordnung für den Euro-Währungsraum, die es den Zentralbanken erlaubt, insolventen Marktteilnehmern nicht beistehen zu müssen.
Die Geldpolitik des Eurosystems operiert seit über vier Jahren im Krisenmodus. Sie lässt dabei eine massive Zahlungsbilanzfinanzierung durch nationale Zentralbanken innerhalb der Europäischen Währungsunion zu. In den Defizitländern soll der Zusammenbruch systemisch relevanter Geschäftsbanken verhindert werden, auch wenn deren Geschäftsmodell nicht tragfähig ist. Die Staatsschuldenkrisen in einigen Ländern verschärfen dieses Problem. Im Ergebnis wird die Allokationsfunktion des Kapitalmarktes massiv beschädigt und der Wettbewerb im Bankensektor verzerrt. Es kommt in großem Stil zu einer Risikoüberwälzung von den Anlegern auf die europäischen Steuerzahler und zu einem Zielkonflikt zwischen geldpolitischen und quasifiskalischen Aufgaben. Um diese Probleme zu überwinden, bedarf es einer vertieften monetären Integration sowie einer Finanzmarktordnung für den Euro-Währungsraum. Ein Verharren im Status quo erhöht von Monat zu Monat die Gefahren, dass der Währungsraum schließlich zerbricht.
The Eurosystem has been pursuing a crisis management policy for more than four years now. This policy aims primarily at maintaining financial stability in the euro area by providing vast liquidity support to commercial banks that are operating in nationally segmented banking systems. As a side effect, the national central banks substitute money market operations for cross-border capital flows. The national central banks are thus increasingly engaging in substantial balance-of-payments financing, and financial risks are being shifted from investors to European taxpayers via the Eurosystem. Symptomatically, this shows up in exploding TARGET2 positions in the national central banks' balance sheets. The longer this process continues, the stronger the centrifugal forces become that ultimately might break up the single currency. Instead of a fiscal union, a euro-area-wide regulatory approach is required. In addition to establishing a uniform scheme for banking regulation, supervision and resolution, we recommend that contingent convertible bonds (CoCos) be introduced to provide a major source of refinancing for the banking industry. Since CoCos cannot be introduced overnight, national and European banking resolution funds would be needed in the short run. These funds would not rescue banks but they would kick in as soon as a bank's equity is depleted in order to wind up failing banks in a systemically prudent way.
[Einleitung und Überblick .] Die entscheidende Frage für die Wirtschaftspolitik ist, ob solche Fehlentwicklungen unvermeidlich sind und ob Deutschland möglicherweise in eine ähnliche Situation gerät wie die europäischen Krisenländer in jüngster Zeit, oder ob es Maßnahmen gibt, mit denen eine solche Zuspitzung verhindert werden kann, so dass die makroökonomische Stabilität nicht gefährdet wird. Dabei wird unterstellt, dass die nationale und europäische Wirtschaftspolitik den geldpolitischen Kurs der EZB nicht beeinflussen kann. In diesem Diskussionsbeitrag soll daher eine angemessene makroprudenzielle (Finanzmarkt-)Politik auf Länderebene im Euroraum vor dem Hintergrund einer extrem expansiv ausgerichteten Geldpolitik der EZB und massiver Kapitalzuflüsse dargestellt werden. In einem ersten Teil (Kapitel 2) erfolgt zunächst eine Darstellung der theoretischen Grundlagen. Hierbei wird zuerst auf den gesamtwirtschaftlichen Finanzierungszusammenhang eingegangen, in den die Wirkungskanäle der Geldpolitik eingebettet sind (Kapitel 2.1). Im nächsten Schritt werden dann die verschiedenen Kanäle für die Übertragung monetärer Impulse auf die Realwirtschaft erläutert (Kapitel 2.2) sowie Besonderheiten für die Analyse der Geldpolitik in einer Währungsunion diskutiert (Kapitel 2.3). Darauf aufbauend und vor dem Hintergrund der monetären Konjunkturtheorie (Kapitel 2.4) werden anschließend die Risiken einer dauerhaft zu expansiv ausgerichteten Geldpolitik für die Finanzmarktstabilität erörtert (Kapitel 2.5). Zentrales Anliegen dieses Diskussionsbeitrages ist es, auf Basis der vorangehenden Analysen wirtschaftspolitische Handlungsoptionen aufzuzeigen. So werden im zweiten Teil (Kapitel 3) einschlägige Instrumente der makroprudenziellen Finanzmarktpolitik diskutiert, die zum Teil grundlegende Reformen beinhalten, zum Teil aber auch an konkreten Problemen ansetzen. Diese Instrumente lassen sich in drei Gruppen einteilen: i) Solvenzbezogene Instrumente, mit denen zum einen der Aufbau zu hoher Risikopositionen von Finanzinstituten vermieden werden und zum anderen die Krisenanfälligkeit und Verlusttragfähigkeit des Finanzsektors bei systemischen Ereignissen erhöht werden soll (Kapitel 3.1), ii) kreditbezogene Instrumente, welche der direkten Steuerung der Kreditvergabe dienen (Kapitel 3.2) und iii) liquiditätsbezogene Instrumente, die darauf abzielen, die Liquiditätsvorsorge der Banken zu erhöhen (Kapitel 3.3). Es wird beschrieben, welche Instrumente eher als vorbeugend anzusehen sind und welche angewendet werden könnten, wenn es bereits zu einer Fehlentwicklung gekommen ist. Bevor eine Handlungsempfehlung bezüglich der einzelnen Instrumente ausgesprochen wird, sollen sie insbesondere auf ihre Effektivität hinsichtlich des Ziels und ihre ordnungspolitischen Implikationen überprüft werden. Zudem wird diskutiert, ob sich die Instrumente in anderen Ländern bewährt haben. Schließlich ist es auch wichtig zu klären, ob sich einzelne Vorschläge ohne weiteres auf nationaler Ebene implementieren lassen oder ob es hier eines gemeinsamen Vorgehens etwa auf europäischer Ebene bedarf. Die aus unserer Sicht wichtigsten Schritte werden abschließend in einem Vorschlag zusammengefasst (Kapitel 4).
Die Konjunktur im Euroraum ist im Sommerhalbjahr aufwärtsgerichtet und war bisher von den Folgen der Schuldenkrise nur geringfügig betroffen. Zu einer rapiden Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen im Zuge der Finanzmarktturbulenzen scheint es nicht gekommen zu sein. Im übrigen Euroraum ist die Dynamik allerdings deutlich geringer als in Deutschland. Das Abflachen der Weltkonjunktur, negative Impulse der Finanzpolitik sowie das Auslaufen des Lagerzyklus wirken sich im Prognosezeitraum belastend aus, so dass das Bruttoinlandsprodukt nach 1,6 Prozent im laufenden Jahr nur mit 1,2 Prozent im kommenden Jahr expandieren dürfte.
Die vorliegende Studie analysiert vor dem Hintergrund der durch die Finanzkrise bedingten Abschreibungen im Bankensektor die aktuelle Gefahr einer Kreditklemme in Deutschland und ihre möglichen Konsequenzen für die konjunkturelle Entwicklung. In einem Makromodell mit Bankensektor wird dabei gezeigt, dass exogene Verknappungen des Kreditangebots die gesamtwirtschaftliche Produktion für einen langen Zeitraum negativ beeinflussen. Im Hinblick auf die Situation des Bankensektors wird dessen Eigenkapitalposition auch vor dem Hintergrund der staatlichen Eigenkapitalmaßnahmen analysiert, und es werden Szenarien für die zukünftige Entwicklung der Eigenkapitalquoten beschrieben. Im Anschluss daran werden mithilfe eines ökonometrischen Mehrgleichungsmodells Prognosen für die branchenspezifischen Kreditvolumina abgeleitet. Im Rahmen eines gesamtwirtschaftlichen Modells wird dann die Frage analysiert, ob in nächster Zeit eine Kreditklemme droht. Die Ergebnisse weisen auf die erhebliche Relevanz der durchgeführten staatlichen Eigenkapitalmaßnahmen hin, die sehr wahrscheinlich verhindert haben, dass eine ausgeprägte Kreditklemme bereits im Laufe dieses Jahres eingetreten ist. Angesichts des noch zu erwartenden Abschreibungsbedarfs der Banken kann eine Kreditklemme in der nahen Zukunft allerdings nicht ausgeschlossen werden. Abschließend werden wirtschaftspolitische Optionen diskutiert, um aufzuzeigen, wie einer solchen Situation vorgebeugt werden kann.
Die Erholung der Weltwirtschaft hat im zweiten Halbjahr 2009 vor allem infolge einer raschen Expansion von Produktion und Handel in den Entwicklungs- und Schwellenländern eine beträchtliche Dynamik erreicht. In den Industrieländern war der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts allerdings weniger schwungvoll und wurde zudem von vorübergehenden Faktoren getrieben, deren Fortfall die Konjunktur im Prognosezeitraum dämpfen wird. So erwarten wir für 2010 weiterhin eine nur mäßige Ausweitung des globalen Bruttoinlandsprodukts, die mit 3,7 Prozent deutlich unter den in den Jahren vor der Krise verzeichneten Wachstumsraten bleibt. Für 2011 haben wir unsere Prognose vom Dezember sogar leicht – von 3,9 auf 3,6 Prozent – reduziert, da sich abzeichnet, dass die Wirtschaftspolitik in den Schwellenländern bereits recht bald gestrafft wird und der Produktionsanstieg in dieser Ländergruppe daher etwas geringer ausfällt als bislang prognostiziert.